Die gute Nachricht ist, dass die Zahl der Wohnungsfertigstellungen insgesamt seit dem historischen Tiefpunkt 2009 innerhalb eines Jahrzehnts um 127.000 auf 286.000 Einheiten pro Jahr zugelegt hat. Dies ist eine Steigerung um 80 Prozent. Dieser guten stehen aber leider zwei schlechte Nachrichten gegenüber: Erstens stagnierten die Fertigstellungen zuletzt auf dem erreichten Niveau, denn von 2017 auf 2018 stieg die Zahl nur noch marginal um rund 1.000 Wohnungen an. Zweitens sind die genehmigten Wohneinheiten von Januar bis Mai 2019 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 2,4 Prozent zurückgegangen. Darauf weist Bernd Hertweck angesichts vom Statistischen Bundesamt aktuell veröffentlichter Zahlen hin.
400.000 Wohnungen mehr pro Jahr benötigt
Wer unser Land von außen betrachtet, dem muss es schon sehr sonderbar erscheinen: Spätestens seit dem Jahr 2015, in dem über eine Million Menschen mehr nach Deutschland kamen als ins Ausland abwanderten, ist besonders offenkundig, dass wir deutlich mehr Wohnungsbau brauchen. Einschlägige Forschungsinstitute gehen von einem jährlichen Bedarf von 400.000 Wohnungen aus und die Bundesregierung hat sich das – gemessen am Ausgangsniveau – sehr ehrgeizige Ziel von 375.000 Fertigstellungen pro Jahr gestellt.
Und obwohl die Zuwanderung in einer Größenordnung von netto 400.000 Menschen pro Jahr auf einem hohen Niveau blieb, obwohl der Nachfragedruck der Bevölkerung nach mehr Wohnraum angesichts einer anhaltend günstigen Beschäftigungs- und Einkommensentwicklung anhielt und obwohl in Folge der Wohnungsknappheit in den Ballungsräumen die Immobilienpreise auf immer neue Höchstmarken klettern und die Politik die Versorgung mit ausreichend bezahlbarem Wohnraum als die soziale Frage unserer Zeit ausgemacht hat – bewegt sich nach wie vor viel zu wenig.
Wohnungsbau hinkt dem Bedarf hinterher
Denn trotz dieser prekären Nachfragesituation liegen die Fertigstellungen in neuen Wohngebäuden in Deutschland bei nur drei pro 1.000 Einwohner, während etwa Frankreich, Norwegen oder die Schweiz in den letzten Jahren mit um die sechs neuen Einheiten doppelt so viel bewerkstelligen.
Die Ursachen der Misere liegen seit Jahren auf dem Tisch. Der Wohnungsmangel in den nachgefragten Regionen Deutschlands ist in Wirklichkeit ein Bodenmangel: Es fehlt nach wie vor an der Bereitstellung von ausreichend Bauland.
Rahmenbedingungen erschweren Wohnungsbau und Immobilienerwerb
Daneben gibt es weitere Hemmschuhe wie ein überbordendes, das Bauen teilweise unnötig verkomplizierendes und verteuerndes Bauordnungsrecht, in den meisten Bundesländern stark angehobene Grunderwerbsteuersätze, die in einer unheiligen Allianz mit den steigenden Immobilienpreisen den Eigenkapitalbedarf wohneigentumswilliger Haushalte in Höhen treibt, der auch mit anhaltend fleißigem Bausparen kaum mehr gedeckt werden kann. Sicher sieht es in vielen ländlichen Regionen preislich auch heute noch deutlich anders aus, doch hilft dies angesichts der Hotspots der Wohnungsnachfrage in Großstädten und Ballungsgebieten nur bedingt weiter.
Baulandausweisung und Bausparförderung: Gesetzgeber ist gefordert
Was also ist zu tun? Zuallererst bedarf es zügiger und beherzter Ausweisungen von Bauland – dort wo es benötigt wird. Diese würden zugleich spürbar preisdämpfend wirken. Die stark steigenden Immobilienpreise sind jedoch nicht nur die Folge hoher Nachfrage, sondern auch Folge der anhaltenden europäischen Niedrigzinspolitik. Von den niedrigen Zinsen profitiert der deutsche Staat, der so jährlich viele Milliarden Euro Zinsen zur Finanzierung der Staatsverschuldung spart, während zugleich die Sparer seit vielen Jahren mit Negativzinsen konfrontiert sind und Milliardenverluste hinnehmen müssen. Somit ist es höchste Zeit, den Sparern etwas zurückzugeben und die Menschen stärker beim Aufbau von Eigenkapital zum Immobilienerwerb zu unterstützen. Daher sollte die mehrfach angekündigte Verbesserung der Wohnungsbauprämie nun schnell in die Tat umgesetzt werden – siehe gesonderter Blog-Beitrag. Denn es ist unbestritten, dass die eigene Immobilie die motivierendste und wirkungsvollste Form der Altersvorsorge für breite Schichten ist.
Zugleich gilt es, die Abgabenbelastung beim Erwerb sowie im Unterhalt moderat zu halten. Wünschenswert wäre bei der Grunderwerbsteuer eine Rückkehr zum bundesweit einheitlichen Satz von 3,5 %. Bei der Neugestaltung der Grundsteuer sollte die Belastung auch in Lagen, die in den letzten Jahrzehnten eine hohe Steigerung der Marktpreise erfahren haben, moderat bleiben. Der Altersvorsorgecharakter von Immobilien im Sinne mietfreien Wohnens im Alter darf nicht durch eine exorbitante Grundsteuerbelastung der Eigentümer konterkariert werden. Gerade aus dieser Perspektive braucht Wohneigentum zuträgliche, langfristig verlässliche Rahmenbedingungen und Planungssicherheit.