Jedes Land, jede Volkswirtschaft ist gut beraten, möglichst breiten Bevölkerungsschichten faire Chancen auf Teilhabe an Vermögenswerten zu bieten. Denn in freien westlichen Gesellschaften ist dies aus mehreren Gründen wichtig: Als Antriebsfeder für das Fortkommen jedes Einzelnen, für die Altersvorsorge und zur langfristigen Sicherung des Sozialstaats sowie des sozialen Friedens.

Wie der Wüstenrot-Vorstandsvorsitzende Bernd Hertweck hervorhebt, sprechen die Zahlen für Deutschland jedoch leider eine andere Sprache: Zwar beträgt nach einer aktuellen Gemeinschaftsstudie der Uni Bonn, der Berliner Humboldt-Universität und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) das Durchschnittsvermögen beachtliche 420.000 Euro. Schaut man sich jedoch an, wie hoch das Vermögen in der Mitte der Verteilung aller Privathaushalte liegt, beträgt dieses sogenannte Medianvermögen gerade einmal 120.000 Euro.

Gerade im Verhältnis zwischen Durchschnitts- und Medianvermögen offenbart sich die Ungleichheit. Denn je höher hier die Lücke klafft, umso weniger Vermögen kann die vermögensärmere Hälfte der Gesellschaft den Milliarden der „oberen Zehntausend“ entgegensetzen, die den Durchschnittswert nach oben ziehen. Während also in Deutschland das Durchschnittsvermögen das Medianvermögen um das 3,5-Fache überschreitet, liegt der Vermögensdurchschnitt europaweit nur um gut das Doppelte über dem Medianvermögen. Mit anderen Worten: Als bevölkerungsreichstes, an sich wohlhabendes Land in Europa schneiden wir in Sachen Vermögensgerechtigkeit schlecht ab und belegen einen der hinteren Ränge.

Bernd Hertweck: Mehr Wohneigentum ist der Schlüssel zu mehr Vermögensgerechtigkeit

Woran liegt das? Die weitaus wichtigste Ursache ist schnell ausgemacht und unter Experten unstrittig: Deutschland ist bis heute Mieterland, denn noch immer wohnt mehr als jeder zweite Haushalt in einer Wohnung, die Anderen gehört. In Europa liegen wir damit auf dem vorletzten Rang (vor der Schweiz). Da jedoch rund 60 Prozent des Vermögens der privaten Haushalte in Immobilien steckt, wird schnell klar, dass die niedrige Wohneigentumsquote Hauptursache für die Vermögensungleichheit ist. Es teilt – grob gesprochen – die Bevölkerung in eine vermögendere knappe Hälfte mit Wohneigentum und eine gering vermögende Hälfte ohne.

Auswertungen zu den Vermögen der Deutschen in den vergangenen Jahren belegen weiterhin, dass sich die Minderheit der Wohneigentümer dank gestiegener Immobilienpreise an deutlich überdurchschnittlichen Vermögenszuwächsen erfreuen konnte. Der Immobilienökonom Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft formulierte es jüngst so: „Durch Wohneigentum wird die Akzeptanz der Sozialen Marktwirtschaft gestärkt, da ein größerer Teil der Bevölkerung an Wertsteigerungen partizipiert. Die Politik ist daher gut beraten, das Aufstiegsversprechen durch Wohneigentum in den Fokus zu nehmen.“

„Angesichts der eindeutigen Befunde zum Zusammenhang zwischen Wohneigentum und Vermögensbildung erfüllt es mich mit großer Sorge, dass die Wohneigentumsquote in Deutschland seit Jahren bei unter 50 Prozent stagniert und bei den jüngeren Haushalten sogar sinkt,“ kommentiert Wüstenrot-Chef Bernd Hertweck die Ist-Situation. „Da sich die Mehrheit der Mieter Wohneigentum wünscht, würden wir mit dieser, nachweislich erfolgreichsten Form der Altersvorsorge jedoch offene Türen einrennen. Es besteht also dringender Handlungsbedarf, die hohen Hürden für den Erwerb abzusenken.“

Stark gestiegene Bauzinsen treffen auf hohes Immobilienpreisniveau

In den letzten Jahren sind die Preise für selbstgenutztes Wohneigentum kräftig angestiegen. Andererseits konnten Wohneigentumserwerber zu traumhaft günstigen Bauzinsen von teils unter einem Prozent finanzieren. So war es möglich, auch mit einem durchschnittlichen Einkommen, die Finanzierung hoher Kaufpreise zu stemmen, sofern Eigenkapital vorhanden war. Wer beispielsweise noch zu Jahresbeginn eine Immobilie für durchschnittliche 350.000 Euro erworben hat und Eigenmittel für die Erwerbsnebenkosten (Makler, Grunderwerbsteuer, Notar- und Gerichtskosten) sowie einen Eigenkapitalanteil in Höhe von 20 Prozent einbringen konnte, finanzierte mit drei Prozent Tilgung für moderate rund 930 Euro im Monat. Bei mittlerem Haushaltseinkommen (Medianeinkommen) schlug diese Rate mit gut tragbaren 32 Prozent des Haushaltsbudgets zu Buche.

Jetzt, acht  Monate später, stellt sich die Lage deutlich anders dar. Wer nun zum selben Preis erwirbt, muss 1.400 Euro monatlich aufbringen, wenn er bei drei Prozent Zinsen die Tilgungsrate beibehalten möchte. Mit einem 47-prozentigen Anteil dieser kalten Wohnkosten am Medianeinkommen ist die Belastungsgrenze klar überschritten. Selbst ein Haushalt am unteren Rand der oberen 20 Prozent in der Einkommensverteilung (etwa 3.600 Euro Haushaltsnettoeinkommen) ist jetzt mit rund 40 Prozent kalten Wohnkosten belastet.

Sprich: Auch Haushalte mit Einkommen, die deutlich über dem Mittel liegen, müssen sich heute bei durchschnittlichen Preisen selbst mit solider Eigenkapitalausstattung vom Traum der eigenen Immobilie verabschieden, sofern sie nicht (zusätzlich) in erheblichem Umfang Geld geschenkt oder vererbt bekommen haben.

Bernd Hertweck: Wohneigentum wieder erreichbar machen

Um Wohneigentum wieder für breitere Schichten zu einem erreichbaren Ziel werden zu lassen, sind aus Sicht von Bernd Hertweck auch alternative Lösungsszenarien gefragt. Der Wüstenrot-Chef hat bereits vier mögliche Ansätze zur Hand:

Erstens sind in Deutschland die Erwerbsnebenkosten sehr hoch, viel höher als beispielsweise beim Nachbarn Niederlande. Würden Erstkäufer beim größten Kostenblock Grunderwerbsteuer angemessen entlastet, könnten sie das eingesparte Geld in die Finanzierung stecken und so ihren Kreditbedarf senken. Die Bundesregierung hat dies erkannt und sollte dieses Vorhaben nun schnell umsetzen.

Zweitens muss Bauen bei uns wieder einfacher und damit kostengünstiger werden, auch hier können wir beispielsweise von den Niederländern lernen. Deren Baukultur ist durch den Bauteamgedanken, weniger Vorschriften, mehr Pragmatismus und Mut zur Einfachheit geprägt.

Drittens kann es sich für Immobilienkäufer lohnen, den eigenen Anspruch an die Wohnfläche zu überdenken. Mit cleveren Grundrissen und Möblierungskonzepten muss dies keinen großen Verzicht bedeuten. Neben der Senkung der Anschaffungskosten spart dies zusätzlich Ressourcen sowie – gerade heute – Heizkosten.

Viertens brauchen wir alternative Lösungsansätze, die stärker in die Breite getragen werden, wie „Jung kauft Alt“ auf dem Land, Wohneigentum auf Erbbaugrund sowie Mietkaufmodelle in der Stadt, beispielsweise mit integrierter Eigenheimrente („Wohn-Riester“) als Tilgungsturbo.“